Warum haben Friedhöfe Mauern?

Unser Blick zurück auf das Jahr 2020 und die Frage nach den Friedhofsmauern

Friedhofsmauern und ein Blick auf das Jahr 2020

Der Name Friedhof leitet sich vom althochdeutschen „frithof“ ab. Dies bezeichnete ursprünglich den eingefriedeten Bereich um eine Kirche. Denn dort bestatteten die Menschen ihre Verstorbenen.

Warum hat ein Friedhof nun eine Mauer?

Obwohl Tote in den Gräbern liegen und diese ja nicht verlassen, haben Friedhöfe Mauern. Was sich zuerst vielleicht eigenartig anhört, hat allerdings zwei wichtige Gründe:

  1. Die Friedhofsmauer trennt die Welt der Toten von der Welt der Lebenden. Dabei grenzte sich der Friedhof in der christlichen Welt zudem als geweihter und heiliger Ort ab. Folglich können auch die Bewohner des Ortes ihre Distanz im Alltag beibehalten.
  2. Zudem bedeutet die Friedhofsmauer traditionell gesehen Schutz. Solange sich Menschen auf dem Friedhof aufhalten, lässt man sie in Ruhe. Dort wahrt man Distanz, respektiert ihre Privatsphäre, obwohl es natürlich auch immer soziale Kontrolle gab und gibt, beispielsweise darüber, wie „gut“ ein Grab gepflegt wird.

Sterben, Tod und Trauer rücken in den Hintergrund

Während Beisetzungen an Kirchen früher - allerdings meist für eine gewisse Schicht - üblich waren, so finden sie dort heute kaum noch statt. Stück für Stück wurden Friedhöfe zuerst aus dem Ortskern und dann aus dem Bewusstsein gedrängt.

Der Friedhofsbesuch war noch vor 50 Jahren fester Bestandteil des Familienlebens. Inzwischen leben Familien nicht mehr über Jahrzehnte an einem Ort. Infolgedessen gab es immer weniger Bezug zum regionalen Friedhof. Dadurch - und auch mit steigender Lebenserwartung - änderte sich die Einstellung zu Krankheit, Sterben, Tod und Trauer.

Es gibt auch Friedhofsmauern in den Köpfen

Auch wenn Friedhofsmauern noch existieren, sind heute die Mauern scheinbar eher in den Köpfen der Menschen vorhanden. Wir sehen dies an manchen Bemerkungen zu Trauer und Tod in sozialen Medien. Obwohl „lustig gemeint“, zeigen sie doch oft nur die Hilflosigkeit des Verfassers im Umgang mit Sterben und Tod. Vielleicht haben wir es als Gesellschaft schlichtweg verlernt, mit der eigenen Endlichkeit umzugehen. Viele hilfreiche Rituale und Gebräuche sind in Vergessenheit geraten. Wenn Angehörige uns fragen, was bei Trauerfeiern erlaubt ist, dann ermuntern wir sie zu überlegen, was eigentlich gewollt ist.

Mauern einreißen - Trauer neu denken

Wenn wir auf das Jahr 2020 zurückblicken, dann fällt uns eine Veränderung auf. Es scheint so, als ob Wünsche mittlerweile wieder viel klarer geäußert würden. Ob letzte Grüße per Luftballon in den Himmel steigen lassen oder das Abschiedsständchen mit Dudelsack - die Verabschiedung wird individueller. Wenn mit einem Kölsch auf der Beerdigung angestoßen wird, weil ein Glas Kölsch für die Verstorbene immer ein Luxus war, dann finden Hinterbliebene mit solchen persönlichen Ritualen leichter den Weg zur Verarbeitung der Trauer.

Eine große Herausforderung für Trauernde waren die Einschränkungen zu Beginn der Corona-Pandemie. Zu dem Zeitpunkt existierten noch keine klaren Hygieneregeln. Daher konnten wir für eine gewisse Zeit nur noch sogenannte stille Beisetzungen anbieten, also Bestattungen ohne Angehörige. Gemeinsam mit Angehörigen waren wir auf der Suche nach neuen Wegen des Abschieds. Und viele Menschen haben uns dabei unterstützt, wie Angehörige, die sich zum Beispiel noch nicht einmal von dem Verstorbenen richtig verabschieden konnten. Sie nahmen unser Angebot gerne an und warteten mit der Beisetzung. Die Urne ihrer Angehörigen bewahrten wir für sie im Raum der Stille auf. Einige Wochen später - nach Lockerung der Regeln - konnte dann die Bestattung erfolgen. Angenommen wurde auch das Buch zum Gedenken an Verstorbene, in der wir eine jahrhundertalte Tradition wiederaufleben lassen konnten. Die Namen der Beigesetzen wurden in einem Buch vor Ort öffentlich ausgelegt. In die moderne Welt übersetzen wir dies, indem wir die Seiten jeden Tag neu in sozialen Medien teilten.

Wir sind sehr dankbar, dass uns so viele Angehörige vertraut haben und neue Wege gegangen sind. Beerdigungen sind ja in erster Linie für die Hinterbliebenen da. Es ist tröstend, wenn Hinterbliebene den Mut und die Kraft aufbringen können, die Beisetzung so persönlich zu gestalten, dass sie zum Verstorbenen passen und gleichzeitig der Trauergemeinde Halt geben.